Wiederlade Quiz - Soll man oder soll man nicht?

  • Hier drei Schönheiten der Kategorie "Ünique Gemüse". Welche der drei sollte man noch verschiessen, welche nicht? Fehler sind mir erst bei der Endkontrolle aufgefallen...


    Alle drei als Übersicht: 223. Hülse Frontier, 3x wiedergeladen mit RCBS FL kalibriert, annealed



    Nummer 1: Delle in der Schulter


    Nummer 2: Linie, mit Fingernagel spürbar


    Nummer 3: Riss im Hülsenhals

  • Grundsätzlich: Wenn aufgrund irgendeiner Auffälligkeit nur schon die Frage aufkommt, ob ich gewisse Munition ca. 20cm vor meinem Kopf zünden will, ist für mich die Antwort schon klar (=nein). Aber aus technischer Sicht sehr interessante Fragestellung. :thumbup:


    Ich bin weder Büchsenmacher noch erfahrener Wiederlader; daher kein Gewähr. Ich persönlich würds aus technischer Sicht / Sicherheitsaspekt so beurteilen:


    1) Ja.

    Die Dellen sind vergleichsweise klein, sodass kein extremer Druckanstieg zu erwarten ist. Zudem ist die Verformung nach innen. Die Patrone wird also vollständig ins Lager gleiten und der Verschlusskopf sauber schliessen.


    2) Nein.

    Mangels Wissen, was das genau ist, gehe ich von einer Sollbruchstelle aus. Wenn der Verschluss beim Repetieren den hinteren Teil der Hülse abreisst, setzt sich die nächste Patrone nicht vollständig ins Lager. Der Verschluss schliesst dann nicht nicht korrekt/ganz aber der Hammer erreicht evtl. je nach Situation oder Waffe den Zündstift.


    3) Nein.

    Das Geschoss kann z.B. bei Kontakt mit den Laderampen schräg verrutschen. Oder die defekte Hülse verhindert ein komplettes schliessen des Verschlusses (und dann siehe 2).

  • Kommt auch auf den Verschluss an. In einem Repetierer hätte ich weniger Bedenken als in einem Selbstlader.


    Aus einem Repetierer würde ich wohl alle noch verschiessen. Ist zwar schon mühsam, wenn die Hülse abreisst und der vordere Teil nicht rauskommt, von daher vielleicht 2 doch nicht.

    Gemäss Standard stand die Standarte artig im standardmässigen Standartenstand.

  • Ich finde die Idee, wegen 50 Rappen das Leben, das Augenlicht und/oder bestenfalls seine Waffe zu riskieren, einfach nur geil.


    Macht weiter so! Zeugt von einem grossen Verantwortungsbewusstsein!

    In the land of the blind, the one-eyed man is king.

  • Aber aber, Herr Swisswaffen...ich sehe das eher so als den "7. Sinn" beim Wiederladen oder wenn einem ggf. mal sowas aus einer Fabrikpackung rutscht. Sofern man es denn überhaupt bemerken würde.


    The more you know... und so ;)

    нет!

  • Ich finde die Idee, wegen 50 Rappen das Leben, das Augenlicht und/oder bestenfalls seine Waffe zu riskieren, einfach nur geil.

    Naja, du schiesst ja auch gar nicht, von daher verstehe ich deine übervorsichtige Haltung natürlich. Die gezeigten Mängel wären alle unproblematisch in einem Repetierer. Da ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass du beim verschiessen von normaler Munition einen Laufstecker hast, und dir dann die Waffe beim nächsten Schuss wirklich um die Ohren fliegt. Oder halt eine überladene Patrone abgefeuert wird, wobei auch dies in vielen Repetierern nicht so problematisch ist.


    Bei 2 wäre halt die Möglichkeit, dass beim Ausziehen dann der hintere Teil der Hülse abreisst, und der vordere Teil in der Kammer stecken bleibt. Bei einem Selbstlader ist das besonders mühsam, weil dann die nächste Patrone da reingequetscht wird. Aber auch bei einem Repetierer kann es mühsam werden, den vorderen Teil der Hülse wieder rauszukriegen.

    Gemäss Standard stand die Standarte artig im standardmässigen Standartenstand.

  • Warum sollte bei einem Hülsenriss das Gewehr explodieren? Was bei einigen wenigen Selbstladern passieren kann, ist dass ein Teil des heissen Gases, welches aber schon fast keinen Druck mehr hat, nach hinten entweicht. Das kann dir das Magazin rausjagen und Brauen/Haare und die Haut an den Händen/Unterarmen versengen.


    Was auch passieren kann, wie schon geschildert, dass die Hülse beim ausziehen abreisst, und dann die nächste Patrone beim Zuführen keinen Platz hat und blöderweise trotzdem gezündet wird, obwohl der Verschluss noch nicht zu ist. Der Effekt ist etwa derselbe wie oben, mit dem Unterschied, dass die Gasmenge deutlich grösser ist, und auch Teile der Hülse rumfliegen können. Das kann dann schon ziemlich gefährlich werden. Aber ein vernünftiges Waffensystem sollte auch keine Zündung ermöglichen, während der Verschluss noch nicht zu ist.


    Bei einem Repetierer dagegen passiert genau gar nichts.


    Wie schon gesagt sind Laufstecker viel gefährlicher, und die passieren auch beim normalen Schiessen. Wer also Angst hat vor solchen Risiken sollte besser gar nicht schiessen.

    Gemäss Standard stand die Standarte artig im standardmässigen Standartenstand.

  • Aber aber, Herr Swisswaffen...ich sehe das eher so als den "7. Sinn" beim Wiederladen oder wenn einem ggf. mal sowas aus einer Fabrikpackung rutscht. Sofern man es denn überhaupt bemerken würde.


    The more you know... und so ;)

    Absolut... beim Wiederladen muss man sich mit solchen Themen befassen. Fehlerhafte Munition kann auch mal aus der Fabrik, darum kann ein bisschen Wissen nicht schaden. Oder es wird mit Work-around Lösungen geschossen, als Beispiel: Bei den 7.5 Revolver-Schützen wird Fabrik 32er Munition verschossen, dabei reissen die Hülsen oft. Dies bei einem Oldtimer.


    Ausserdem: Gerade bei Frontier waren Chargen mit Fehlern auf dem Markt...


    Zwei Fehler sind typisch für schlechte Hülsenqualität, eine gibt es bei unpassender Munition/Waffe und falsch wiedergeladener Munition...


    ...Möchte aber nicht vorgreifen, falls sich jemand noch zu den drei Fehlern äussern möchte, Auflösung folgt...

  • Nummer 1 ist mittlerweile verschossen und die kleine Beule ist geglättet:



    Wie ihr beschrieben habt, kein Problem. Die kleine Beule hat keinen Einfluss auf den Verschlussabstand.

  • Bei 2 wäre halt die Möglichkeit, dass beim Ausziehen dann der hintere Teil der Hülse abreisst, und der vordere Teil in der Kammer stecken bleibt. Bei einem Selbstlader ist das besonders mühsam, weil dann die nächste Patrone da reingequetscht wird. Aber auch bei einem Repetierer kann es mühsam werden, den vorderen Teil der Hülse wieder rauszukriegen.


    Nummer 2: Die feine, saubere Linie ist eine Warnung, dass die Hülse dort reisst (Case head separation). Woher ich das weiss? Ich hatte diesen Fall erstmals in meiner Wiederlade-Karriere. Ich hatte die Linie nicht bemerkt. Der Schuss war schlapp, aber kein Laufstecker. Der hinter Teil wurde ganz knapp ausgeworfen und sah aus wie eine Pistolenhülse der vordere Teil konnte ich mit einer Bürste herausziehen.


    Die Ursache war vermutlich zu viel Verschlussabstand in Kombination mit schlechter Hülsenqualität und einer Waffe die trotzdem zünden konnte. Für Nicht-Wiederlader ist dies auch relevant wenn Munition verschossen wird, welche sich stark ausdehnt bei zu grossem Verschlussabstand. Randpatronen sind berüchtigt dafür. Bei Wiederlader sollte das Problem bekannt sein, da es aber selten passiert darf man ab und zu mal darüber reden und dieses Themen sensibilisieren. Beim Wiederladen besteht die Gefahr, dass beim FL kalibrieren die Schultern zuweit zurückgesetzt werden.


    Die Hülse trennt sich in einem sauberen Schnitt zwischen dem steifen hinteren Teil, der nicht lidert und dem vorderen weichen Teil der beim Schuss noch vorne fliesst, bis er Kontakt zum Lager hat und darum die Hülse immer an der gleichen Stell auseinander zieht bis sie bricht.


    Bei Frontier-Munition gab es immer wieder Probleme. Ich habe nicht gezündete Munition untersucht und oft ein Untermass bei den Schultern festgestellt. Hätte die Waffe dennoch zünden können, wäre es eben genau zu dieser Streckung gekommen.


    Bei Nummer2 ist die Linie sehr fein, aber man spürt sie. Ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Hülse reissen wird, bei nur ganz wenig Spiel im Verschlussabstand.



    Speer Reloading Manual

  • Nummer 3: Hülsenriss...


    NR 3 würde ich entladen. Stimme Euch aber zu, dass man diese aus einem Repetierer einzeln/direkt geladen verschiessen könnte. Das Geschoss sitzt trotz Riss einigermassen konzentrisch und fest sowie scheint es, dass genug "gesunde" Hülsen-Masse zum lidern da ist, so dass kein Gas nach hinten gelangen sollte. Trotzdem: Aus einem Automaten ist es aus den von Euch erwähnten Gründen nicht zu empfehlen.


    Wenn man das Übersichtbild betrachtet, sieht man aber eine abweichende Verfärbung unterhalb der Schultern nach dem Annealen. Ich vermute daher, dass sich diese Hülse von der Norm abweicht. Wäre daher möglich dass sie weiter reisst. Die Ursache des Risses ist vermutlich eine Materialschwäche im Halsbereich, der Rand vom Riss ist wie angeschmolzen. Vermutlich war die Temperatur zu hoch bzw die Wandstärke zu dünn oder ein Materialfehler. Das Setzen des Geschosses hat ihr den Rest gegeben und den Riss sichtbar gemacht.


    Frontierhülsen sind sehr dünnwandig und hatten keine oder nur eine schlechte Qualitätskontrolle. Sie sind daher gute Schulungsobjekte in der Wiederlader-Ausbildung.


    Ich hoffe, ich konnte euer Munitionswissen bereichern und eure Sensibilisierung zur "Case-Head-Separation" schärfen. Das am wenig sichtbarste Anzeichen zeigte den schlimmsten Fehler auf.