Ja, genau, "wäre nicht möglich gewesen"… Ich befürchte auf genau sowas (emotionales und unreflektiertes) wird es bei der aktuellen politischen und militärischen Führung wieder mal herauslaufen…
Im vorliegenden Fall handelte es sich nach heutigem Stand um einen Suizid, im Beisein seiner Kameraden im Duro nach der Schiessübung. Ok. Für alle Beteiligten und Angehörigen absolut tragisch und für unbeteiligte AdAs wie mich durchaus sehr, sehr verstörend. Ich kann mir gut vorstellen, dass einige der Beteiligten sich für viele, viele Jahre damit beschäftigen werden (Schuldgefühle etc.) und hoffe zutiefst, dass man in Sachen "Care-Team" heute kompetent genug ist und die Militärversicherung diese Leute nicht vergisst, falls sie zivil "Hilfe" brauchen.
Mit dem von dir geschilderten Schuss- bzw. Hülsenzählen, welches nicht nur in A praktiziert wird, wäre das natürlich nicht möglich gewesen; da hast du absolut recht. Nur, bitte, denke doch drei Sekunden länger nach. Genau dieselbe tragische Situation, in genau derselben Konstellation, hätte sich einige Minuten früher auf dem Schiessplatz bzw. während der Schiessübung ereignen können. Ob sie nun im Duro sitzen oder auf der 5m Linie stehen macht nicht wirklich einen Unterschied, oder? Wie willst du das verhindern? Schüsse und Hülsen zählen gut und recht, nur, was machst du, wenn jemand nur 53 der 54 gefassten Schüsse auf die Scheibe abgeben möchte, um "einen für sich" zu nutzen? Es gibt keine SiVo, keine technische oder prozedurale Massnahme, einfach absolut nichts, was sowas verhindern kann. Ok, es sei denn man stellt die gesamte Waffen- und Schiessausbildung von A bis Z auf Waffen- und Schiesssimulatoren um; aber dann kann man auch einfach aufhören.
Schau, ich bin da wahrscheinlich etwas voreingenommen, aber die bestehenden Regeln bezüglich Schiessen und Munition in der Armee sind "gut" wie sie sind. "Gut" weil ich froh bin nicht die militärische und politische Verantwortung für alle ~120'000 AdA und deren Ausbildung und Sicherheit zu tragen. Persönlich betrachtet sind die Regeln durch Ereignisse wie den Mordfall Hönggerberg sogar zu streng geworden und ich befürchte, dass sich das nun nochmals steigern könnte. Als jemand der schon einige Wochen vor November 2007 AdA war (und noch etwas bleibt) kann ich definitiv sagen, dass die Ausbildung an der Waffe (insbesondere der alltägliche Umgang mit der Waffe) gelitten hat. Dabei geht es nicht um das Verhalten auf dem Schiessplatz oder während Schiessübungen, es geht mehr darum für die Dauer der Dienstleistung mit dem Ding 24/7 verantwortungsvoll umzugehen. Dafür bleibt es heute, je nach Truppengattung und Waffenplatzordnung, zu oft in der Kaserne oder gar über Wochen und Monate im Mun-Mag eingeschlossen. Eine kurze Lektion "PSK" oder "Waffe übergeben" am Anfang der RS kann nicht tausende echte Wiederholungen ersetzen, welche sich organisch über die gesamte Dienstdauer ergeben würden. Und da sprechen wir nicht mal über die taktische Komponente (Selbstschutz bei der Auftragserfüllung als xzy-Soldat), welche bei vielen Truppengattungen absolut vernachlässigt wird...